Berichte und Interviews

Die Interviews wurden von mir im Rahmen der Vorbereitung und Organisation (2007-2008) des AFA Kongresses “atemerleben” geführt. Die Interviews wurden z.T. gekürzt und auf Wunsch anonymisiert.

Helga A.: Atemtherapie ist eine wunderbare Möglichkeit, sein Leben langfristig zu bereichern
Helga A. ist 44 Jahre alt, lebt allein und ist angestellt als Projektleiterin. Sie geht seit 3 Jahren regelmäßig in die Atemgruppe und auch immer wieder in die Einzelbehandlung (Atembehandlung oder Atemmassage).

Welche persönliche Geschichte verbinden Sie mit dem Atem?

Früher litt ich häufig unter Atemlosigkeit, bekam keine Luft und hatte v.a. in Stresssituationen einen Mangel an genügend Atem – fühlte mich eingeengt. Heute kann ich in solchen Situationen durchatmen, fühle mich bei mir, lebendig und doch auch entspannt.

Wie kamen Sie zur Atemtherapie?

Allgemein fühle ich mich gesund und robust. Jedoch habe ich immer wieder mal Probleme mit meinem Rücken, was mich dann belastet und auch einschränkt. In einer Trennungssituation wurde mir die Atemtherapie von einer Bekannten empfohlen. Ich war damals auf der Suche nach einer Möglichkeit bei mir selbst anzukommen. Atmen hat das von Anfang an genau getroffen.

Was hat die Atemtherapie bei Ihnen bewirkt?

Atemtherapie ist für mich ein Weg zu mir selbst. Sie stößt Veränderungen an, verborgene Empfindungen werden zutage gefördert. Es hilft mir, nach innen zu schauen und mich selbst besser wahrzunehmen. Dadurch bekomme ich ein größeres Selbstverständnis meiner Selbst, kann mich besser abgrenzen und bewusster umgehen mit meinen Bedürfnissen und mit Situationen im alltäglichen Leben. Ich kann mich besser annehmen, so wie ich bin. Die Wahrnehmung meines Atems ist mir im Alltag deutlich bewusst. Der Atem und das Atmen sind unverzichtbarer und bewusster Bestandteil meines Lebens geworden.

Welche allgemeine Bedeutung messen Sie der Atemtherapie zu?

Ich finde, sie ist eine wunderbare Möglichkeit, sein Leben langfristig zu bereichern, sich auf substantielle Art seiner selbst bewusst zu werden.

Monika S.: Ich habe mein Asthma jetzt im Griff und brauche keine Medikamente mehr
Monika S. ist 55 Jahre, lebt allein und arbeitet in einem Krankenhaus. Früher hatte sie sehr an den Auswirkungen ihres Asthmas zu leiden. Heuschnupfen kennt sie seit ihrem 18. Lebensjahr, ebenso Nebenhöhlenentzündungen, „frustrane“ Desensibilisierung und dann die Entwicklung eines Asthmas.

Mögen Sie etwas zu Ihrer gesundheitlichen Situation sagen?

„Der Lungenarzt verschrieb mir jedes Jahr eine neue Tablette und dazu Cortisonspray und ein Asthmaspray. Jetzt, aufgrund von Atem-, und Eigenbluttherapie bin ich so gut wie beschwerdefrei. Wegen der massiven Atemwegsprobleme war ich auch in krankengymnastischer Behandlung und wurde dort vor 13 Jahren auf die Atemtherapie aufmerksam gemacht. Damals hat meine Krankenkasse die ersten Kurse als Präventionsmaßnahme finanziert. Später bezahlte ich dann selber. Ich bin regelmäßig in einer Atemgruppe und gönne mir hin und wieder auch Einzelbehandlungen in Atemtherapie.

Praktizieren Sie Übungen im Alltag?

Ja. Speziell zur Entspannung bei Kopf-, und Rückenschmerzen und bei zum Glück nur noch selten auftretenden Verkrampfungen im Brustbereich. Mit zunehmender Atemerfahrung erweitert sich das Spektrum meiner Möglichkeiten, das Leben leichter zu gestalten.

Was hat die Atemtherapie bei Ihnen bewirkt?

Den Wegfall sämtlicher Medikamente. Früher drei Tabletten täglich plus Cortisonspray plus Asthmaspray. Heute gehe ich aus dem Haus, ohne noch mal nachzusehen, ob ich mein Asthmaspray dabei habe. Wenn ich es vergessen habe mitzunehmen und das mehr durch Zufall bemerke, verfalle ich nicht in Panik, sondern weiss, dass ich das auch so mit meinem Atem schaffe.

Welche persönliche Geschichte verbinden Sie mit dem Atem?

Früher war mein Leben durch das Asthma sehr beeinträchtigt, und zwar sowohl körperlich als auch seelisch. Seitdem ich meinen Atem bewusst wahrnehme und ihm vertraue, habe ich mehr Kraft. Dies wirkt sich auf viele Bereiche meines Lebens aus. Ich fühle mich zufriedener und gelassener in schwierigen Situationen und gesundheitlich stabiler. Z.B. ist meine chronische Nebenhöhleninfektion weg und meine letzte Bronchitis war vor drei Jahren.

Sind die Erfahrungen mit dem Atem wichtig für ihre persönliche und spirituelle Entwicklung?

Ja, sehr. Die „Atemarbeit“ hat mich zu einem viel spürsameren Menschen gemacht. Die immer wieder wechselnden Erfahrungen sind sehr spannend und zeigen mir meine momentane Befindlichkeit sehr deutlich auf. Spiritualität und Atem gehören für mich zusammen.

Welche allgemeine Bedeutung messen Sie der Atemtherapie bei?

Eine sehr wichtige. Sie sollte viel verbreiteter und bekannter sein. Es kennen sie viel zu wenig Menschen. Vor allem fände ich wichtig, dies Arbeit bei den Medizinern bekannter zu machen.

Anke D.: Es ist wie wenn ich Schicht für Schicht von mir kennen lerne und entfalte
Anke D. ist 64 Jahre alt, lebt allein und ist Rentnerin.

Wie kamen Sie zur Atemtherapie?

Gegen Ende meines Berufslebens empfahl mir eine Freundin die Atemtherapie. Ich war vor 20 Jahren schon mal damit in Kontakt – entschied mich damals aber für Feldenkrais. Nun gehe ich seit 5 Jahren regelmäßig in die Atemgruppe und auch ca. alle 4 Wochen in die Einzelbehandlung. Im Alltag praktiziere ich selten Atemübungen, dennoch ist ist sie mir sehr wichtig, weil sich der Kontakt und das Verständnis zu mir selbst dabei so intensiviert.

Wenden Sie die Atemtherapie in Verbindung mit anderen Therapieformen an?

Ja – wenn man das so nennen will: ich mache auch regelmäßig Yoga und Pilates. Mit dem Atmen finde ich mehr zu mir selber, bin zentrierter und lerne neue Aspekte von mir kennen.

Welche persönliche Geschichte verbinden Sie mit dem Atem?

Archaische Erlebnisse, Tiefe Freude, Totales Entspanntsein, Urvertrauen. Sehr wichtig dabei: im Moment Sein.

Welche Erwartungen an die Atemtherapie haben Sie?

Körperliche Stabilisierung, seelische und geistige Entwicklung. Was hat die Atemtherapie bei Ihnen bewirkt? Gelassener zu werden. Das Leben anders zu betrachten. Es ist wie wenn ich Schicht für Schicht von mir kennenlerne und Schicht für Schicht von mir entfalte und so immer mehr von mit erfahre und entdecke.

Ordnen Sie diese Wirkungen ausschließlich der Atemtherapie zu?

In den letzten Jahren haben die atemtherapeutischen Erfahrungen meine anderen Lebenserfahrungen abgerundet.

 
Interviews mit Ärzten und Psychotherapeuten über Atemtherapie

Cornelia Roth, Dipl. Psychologin: Die Atemtherapie kann bei vielen Krankheitssymptomen hilfreich sein
Interview am 24.01.08 von Helga Segatz mit Cornelia Roth, Dipl. Psychologin in München, www.atempsychotherapie.info

Erst einmal möchte ich mich dafür bedanken, dass Sie sich Zeit für dieses Interview nehmen. Sie sind Psychologische Psychotherapeutin und Atemtherapeutin mit Schwerpunkt psychosomatische Störungen. Wie sind Sie selbst auf die Atemtherapie aufmerksam geworden?

Ich habe sie in einem gestalttherapeutischen Kurs kennen gelernt und sie hat mich sofort begeistert. Sie stellte eine Möglichkeit dar, Veränderungen herbeizuführen und zwar auf eine sanfte Weise. Das interessierte mich und ich besuchte noch einen Kurs, bevor ich mich entschloss eine Ausbildung zu machen. Mein erster Kurs wurde von einem Schüler Herta Richters angeboten und ich wusste, dass es diese Arbeitsweise war, die ich brauchte. So kam ich 1985 zu Herta Richter.

Verbinden Sie die Atemtherapie mit der Psychotherapie?

Ja. Wenn die Patienten dazu bereit sind; weil ich davon ausgehe, dass die meisten psychischen und körperlichen Probleme von Körper, Seele und Geist getragen sind. Deshalb versuche ich einerseits, mit Gesprächen hilfreich zu sein, aber auch, die Menschen ihren Atem erfahren zu lassen. Ich benütze dafür den Ausdruck Atempsychotherapie.

Bei welchen Diagnosen halten Sie Atemtherapie für geeignet?

Bei einer ganzen Fülle von Diagnosen. Das liegt daran, dass der Atem den gesamten Körper berührt, weil er jede Zelle erreicht und in diesen Zusammenhang das ganze psychische und geistige Geschehen. Nebenbei kann der Atem ungemein entspannend wirken und daher ist Atemtherapie oft hilfreich bei zahlreichen, auch schweren Rückenbeschwerden, bei nervösen Beschwerden wie Tinnitus, Herz-Rhythmus-Störungen, Neuralgien und Migräne, Magen-Darm-Störungen und natürlich bei allen Problemen, die mit dem Atem unmittelbar zusammenhängen. Aber Atemtherapie ist ebenso sinnvoll bei Depressionen und es unterstützt die Behandlung von Angststörungen. Eine wichtige Gruppe von Menschen, die mit Atemtherapie Hilfe erfährt, sind Menschen mit Erschöpfungszuständen und Symptomen des Burn-out-Syndroms. Dazu gibt es ja inzwischen auch eine fast abgeschlossene erfolgreiche Studie an der Universität Regensburg unter Prof. Thomas Loew.

Welche Patienten sind nicht dafür geeignet?

Bei psychotischen Patienten, die möglicherweise auch suizidgefährdet sind, ist es nicht sinnvoll, dass sie sich während der Behandlung auf die Wahrnehmung in ihrem Inneren konzentrieren. Ebenso sollte bei Patienten mit einer Suchtproblematik nicht ausschließlich Atemtherapie durchgeführt werden. Bei organischen Erkrankungen, bei denen es sich nicht primär um eine funktionelle Störung handelt, sollte der Patient zugleich in ärztlicher Behandlung sein.

Wie verbinden Sie die Atemtherapie mit der Psychotherapie?

Ich gehe erst einmal von den unmittelbaren Anliegen der Patienten aus, entweder ein psychotherapeutisches Gespräch zu führen oder eine Atembehandlung zu erhalten. Dementsprechend steht meistens die seelische oder die körperliche Ebene im Vordergrund. Habe ich mit Patienten eine Weile gesprochen, tut es ihnen oft gut, sich in ihrem Atem zu erfahren und dabei manchmal ganz neue Entdeckungen zu machen. Patienten mit körperlichen Beschwerdenkommen nach einer Reihe von Atembehandlungen meist selbst auf mögliche seelische Bezüge zu sprechen. Ich wechsle deshalb im Einvernehmen mit den Patienten Phasen von Atembehandlungsstunden mit Gesprächsstunden ab. Auch im Gespräch versuche ich immer wieder die Erfahrungen der Atembehandlung mit einzubeziehen, um so dem Sprechen ein Fundament zu geben, denn der Atem macht einem nichts vor.

Muss der Patient nicht erst lernen, wie sich die Atemerfahrung in Lebenseinstellungen übersetzt?

Ja, das ist richtig. Ich unterstütze die Patienten, Erfahrungen in der Atembehandlung zu erinnern und zu benennen. Das kann schon eine eigene Wirkung haben. Wo es mir sinnvoll erscheint, frage ich aber auch nach einer Übersetzung dieser Erfahrungen auf das geführte Leben, wobei ich mich mit eigenen Deutungen sehr zurückhalte. Dabei können die auf den Körper bezogenen Bilder unserer Sprache eine Hilfe sein, z.B. „keine Luft zu haben“ (auch nicht im Arbeitsalltag) oder „die Nase voll“; oder andererseits „mit beiden Füßen auf dem Boden“ zu stehen oder „Spielraum zu gewinnen“. Die Benennung von Erfahrungen mit dem Atem hat aber ihre Grenzen, da die Atembehandlung in eine Tiefe gelangen kann, die sich der Sprache entzieht, und in der Veränderung auf zunächst ganz unmerkliche Weise geschieht.

Haben Sie dafür ein Fallbeispiel?

Ein Beispiel für Atembehandlung und Übersetzungsarbeit ist das folgende: Eine Patientin hatte immer wieder plötzliche Zustände von Atemnot, die einhergingen mit Hyperventilation und großer Angst. Ein organischer Hintergrund war nicht zu finden. In der Atembehandlung zeigte sich, wie wichtig für diese Patientin die Wahrnehmung ihrer Füße war. Im Gespräch war ein Thema der Patientin, gegenüber ihrer Familie mehr eigenen Entscheidungsraum über ihre Zeit zu finden. Sie empfand da zu wenig Luft und es stand die Aufgabe, sich mehr auf eigene Füße zu stellen. Es hat aber keinen Sinn, so etwas den Patienten nahezulegen, da nur sie selbst die richtige Deutung für ihr Leben finden können. Bei dieser Patientin wurde in der Atembehandlung der Ausatem allmählich deutlicher. Ich übte mit ihr, ihm einen hörbaren Ton mitzugeben. Zugleich erzählte die Patientin davon, wie sie ab und zu in ihrer Familie auch Widerspruch leistet. Diesmal ließen wir beides ohne Übersetzung nebeneinander stehen.

Welche Behandlungsdauer erscheint Ihnen sinnvoll?

Das ist sehr unterschiedlich und richtet sich danach, ob Beschwerden schon lange Zeit bestehen oder erst seit kürzerer Zeit vorhanden sind. Z.B hatte ich vor einiger Zeit eine junge Patientin mit Herzproblemen, die nicht auf einen Herzfehler zurückzuführen waren. Eine sich im Laufe der Jahre entwickelte Herzklappeninsuffizienz machte eine Operation erforderlich. Die dadurch entstandene Narbe am Brustkorb bereitete ihr Atemprobleme. Nach zehn Atembehandlungen waren diese Beschwerden weg. Würde man nun mehr in die Tiefe gehen wollen und sich z.B. dem Herzproblem zuwenden, wären sicher 20 – 30 Behandlungs­stunden angezeigt. Es gibt aber auch eine ganze Reihe von Menschen, die zu mir kommen, weil sie sich für ihr Leben eine Veränderung wünschen, sich als atemlos erleben und ihr Leben zu stressig finden – oder sich einfach weiterentwickeln wollen.

Bieten Sie Ihren Patienten Einzelstunden und Atemgruppen an?

Ja, beides. Wann ist das eine und wann ist das andere sinnvoll? Es ist beides sinnvoll. Im Allgemeinen ist die Einzelbehandlung eine intensivere Möglichkeit, dem eigenen Atem näher zu kommen. In der Gruppe kann man aber Atemübungen lernen, die man zu Hause und im Alltag einbauen kann – und sei es an der Bushaltestelle.

Welche Bedeutung messen Sie der Atemtherapie im Gesundheitswesen bei?

Die Atemtherapie hat für mich im Gesundheitswesen eine große Zukunft, weil nicht nur viele Patienten, sondern auch die Vertreter von Gesundheitsinstitutionen mehr und mehr die Bedeutung alternativer Heilmethoden erkennen und weil der Atem schlicht unsere Lebensgrundlage ist.

Frau Roth, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

 

 

 

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